Internationale Solidaritäts Reflexion

Achtung der Vielfalt

Oktober 2023

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Einführung

Was ist gemeint, wenn ich von Achtung der Vielfalt spreche? In unserer Gemeinschaft bedeutet es, dass alle Menschen, unabhängig von Geschlecht, Alter, Religion oder Herkunft Anerkennung erfahren und wertgeschätzt werden. Es geht darum, wie wir mit der Vielfalt umgehen, unsere Vorurteile und Grenzen akzeptieren und die Menschen zur Einheit führen. Unser Auftrag als Schulschwestern ist es, unser Leben einzusetzen für jene Einheit, um derentwillen Jesus Christus gesandt war. (vgl. ISG, K 4)

Aufruf zum Gebet

Gott, Menschen und Lebensumstände sind so verschieden, dass wir Mühe haben, sie in unsere Denkmuster einzuordnen. Mit unterschiedlichsten Merkmalen hast du uns ausgestattet:

Liebender Gott, gut dass nicht alle Menschen so sind wie ich. Ich glaube, das wäre ziemlich langweilig. Nicht weil ich langweilig bin – vielleicht auch -, sondern weil die Vielfalt, die unterschiedlichen Beiträge jedes Menschen auf dieser Welt, fehlen würde. Ich danke Ihnen für diese Vielfalt.

Erfahrung

Über Erfahrungen zu dieser Thematik zu schreiben, ist relativ schwierig, da „Achtung oder Respekt der Vielfalt“ unterschiedlichste Ebenen umfasst und jeder Leser oder jede Leserin tausendfältige Alltagserfahrungen im Umgang mit Vielfalt hat. Als Klassenlehrerin von pubertierenden Jugendlichen mit 32-37 Schüler:innen hatte ich es mit der entsprechenden Anzahl unterschiedlichster Charaktere zu tun. Sie alle in ihrer Vielfalt zu akzeptieren, war für sie selbst und für mich eine große Herausforderung.  Der Blick in unsere Gemeinschaften zeigt Ähnliches, v.a. in den größeren Gemeinschaften haben wir es  – auch wenn wir alle Schulschwestern sind und nach unserer Konstitution ISG leben – mit unterschiedlichen Charakteren und Generationen zu tun. Und oft mag es ein kleines Wunder sein, dass wir trotz oder gerade wegen der Vielfalt gut miteinander leben

Seit Jahren sind wir als Kongregation bemüht, interkulturell zu leben, gerade auch durch Zusammenlegungen von Provinzen. Wie kann in diesen Beispielen und darüber hinaus der Respekt, die Achtung gegenüber der Vielfalt wachsen und gelingen. An der Stelle erinnere ich an drei Worte der ehemaligen Bundeskanzlerin Deutschlands, die weltweit durch die Presse gingen: „Wir schaffen das!” Diese drei Worte möchte ich hier in den Kontext stellen, aus dem sie zitiert wurden. Angela Merkel sagte im April 2015 in der Pressekonferenz: „Ich sage ganz einfach: Deutschland ist ein starkes Land. Das Motiv, mit dem wir an diese Dinge herangehen, muss sein: Wir haben so vieles geschafft – wir schaffen das! Wir schaffen das, und dort, wo uns etwas im Wege steht, muss es überwunden werden, muss daran gearbeitet werden.”  (https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/08/2015-08-31-pk-merkel.html)  

Mich persönlich hat dieser letzte Satz beeindruckt:Wir schaffen das, und dort, wo uns etwas im Wege steht, muss es überwunden werden, muss daran gearbeitet werden.” Das ist genau die Erfahrung, die wir alle in unserem Alltag immer wieder machen müssen. Ein gutes Miteinander – trotz oder gerade aufgrund der Vielfalt – bedarf des persönlichen Einsatzes, auch wenn dieser oft sehr hart ist. Das Ergebnis kann sehr bereichernd und vielfarbig sein. Wir brauchen den Mut, uns mit der Vielfalt auseinanderzusetzen, damit „die Welt der Vielfalt ihrer Farben, ihrer Schönheit und letztlich ihrer Menschlichkeit nicht beraubt wird.“ (vgl. Fratelli tutti, 100)

Reflexion

Living with respect for diversity, we learn about ourselves and others. We understand and accept that there are differences among people related to age, gender, culture, race, values, abilities, and beliefs, and this challenges us to be able to work well with people who look, act, or think differently. Openness to differences is essential for living together in society and building a just world. This awareness makes it possible to overcome individualism, prejudice, and discrimination in our local and global community.

Wenn wir mit Respekt für die Vielfalt leben, lernen wir etwas über uns selbst und andere. Wir verstehen und akzeptieren, dass es zwischen den Menschen Unterschiede in Bezug auf Alter, Geschlecht, Kultur, Rasse, Werte, Fähigkeiten und Überzeugungen gibt, und dies fordert uns heraus, gut mit Menschen zusammenzuarbeiten, die anders aussehen, handeln oder denken. Offenheit gegenüber Unterschieden ist eine wesentliche Voraussetzung für das Zusammenleben in der Gesellschaft und den Aufbau einer gerechten Welt. Dieses Bewusstsein macht es möglich, Individualismus, Vorurteile und Diskriminierung in unserer lokalen und globalen Gemeinschaft zu überwinden.

In dem Maße, wie wir uns als Menschen weiterentwickeln, unser Bewusstsein erweitern und unsere Beziehungen verbessern, entwickelt sich auch das Konzept der Vielfalt weiter. Wir können zum Beispiel auf unser persönliches Leben und sogar auf die Geschichte unserer Kongregation zurückblicken und sehen, wie wir bis zum Beginn dieses Jahrhunderts Vielfalt verstanden und gelebt haben. Wir haben unser Verständnis und unser Leben in Bezug auf diese Vielfalt erweitert und sind herausgefordert, unsere Vielfalt zu respektieren und weiterhin gemeinsam in die Zukunft zu gehen, um der uns anvertrauten Mission Gottes willen. Ihr seid gesandt ermutigt uns: Inmitten der Verschiedenheit, die in Welt und Kirche herrscht, ist unser beständiges Streben nach Einheit in unserer geistlichen Gemeinschaft ein bedeutsames Zeichen. Weil wir wissen, dass Einheit in der Vielfalt zum Ausdruck kommen und von ihr bereichert werden kann, bemühen wir uns, im Volk Gottes einigend zu wirken. Gleichzeitig sind uns die Menschen, zu denen wir gesandt sind, eine Hilfe in unserer Verbindung mit Christus und ein Ansporn, die Hingabe an seine Sendung zu erneuern. (ISG, GD 10)

Wenn wir auf dem Weg des ständigen Wachstums bleiben, um mit Respekt für die Vielfalt zu leben, ist es möglich, die Welt zu verändern, Zeugnis zu geben und sie zu verwandeln. Wir finden Ermutigung in den Richtungweisenden Erklärungen der letzten Generalkapitel: Liebe kann nicht warten und Liebe gibt alles, wenn wir unseren Auftrag fortsetzen, die Liebe Gottes mit unserem ganzen Wesen zu verkünden, unabhängig von den Menschen, denen wir begegnen, und unabhängig davon, wo wir sie treffen.

Aktion

Die Ergebnisse des interkulturellen Dialogs in Vorbereitung auf unser 25. Generalkapitel Prophetisch Zeugnis geben für eine allumfassende Gemeinschaft ruft uns dazu auf, unser Beziehungsleben in der Gemeinschaft und im Dienst zu VERTIEFEN, zu nähren und zu bereichern, indem wir allen, mit denen wir zu tun haben, Freundlichkeit, Respekt und Fürsorge sowie Vergebung, Versöhnung und Frieden anbieten.

  • Lernen Sie etwas Neues von Menschen, die anders sind als Sie. Erweitern Sie Ihren Horizont und entwickeln Sie sich persönlich weiter.
  • Lernen Sie andere Menschen kennen und stellen Sie Fragen. Vermeiden Sie die Verwendung von Stereotypen und erkennen Sie unbewusste Vorurteile, die Sie möglicherweise haben.
  • Unterstützen Sie jede Person oder Gruppe am Rande der Gesellschaft in ihrem Bestreben, respektiert und einbezogen zu werden.

Abschließendes Gebet

Gott, Menschen und Lebensumstände sind so verschieden, dass wir Mühe haben, sie in unsere Denkmuster einzuordnen. Mit unterschiedlichsten Merkmalen hast du uns ausgestattet: Herkunft und Hautfarbe, Alter und Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit und kulturelle Tradition, religiöse, politische und sexuelle Orientierung, Ängste und Hoffnungen, Träume und Visionen. Wir alle haben die Sehnsucht nach Anerkennung und Geborgenheit. Befreie uns von der Blindheit, die nur einen Weg für alle sieht. Löse uns von allen Fesseln der Vorurteile und Gleichgültigkeit. Schenke uns den Geist der Geschwisterlichkeit und Solidarität. Nimm von uns alle Angst, wir würden verlieren, wenn wir selbst gezogene Grenzen öffnen. Lass uns aufeinander zugehen in Respekt und Freiheit, und lass uns aufbereiten das Feld der Versöhnung, damit sie wachsen können in Vielfalt und im Übermaß: die Früchte deines Reiches. Amen. Gebet-um-Toleranz.pdf (bistummainz.de)

 

Vorbereitet von Schw. Maria-Theresia Knippschild, BY, für das Internationale Shalom Netzwerk.

Grafik von der Richtungweisenden Erklärung, 24. Generalkapitel. Gestaltung: Büro für kongregationsweite Kommunikation