Internationale Solidaritätsreflexion

Klimagerechtigkeit

Mai 2023 – pdf  (222 KB)

Einleitung

Klimagerechtigkeit ist eine Forderung nach Einbeziehung, Vertretung, Wiedergutmachung und Schutz der Rechte der am meisten gefährdeten Bevölkerungsgruppen, die unverhältnismäßig stark vom Klimawandel betroffen sind, insbesondere Kinder und Frauen. Nach Ansicht des Hohen Flüchtlings-kommissariats der Vereinten Nationen (UNHCR) ist die Klimakrise eine menschliche Krise (COP26). Sie resultiert aus zerstörerischen Methoden der Gewinnung, der Produktion und des Konsums. Im Februar 2023 trafen vierzig indigene Führer mit Papst Franziskus zusammen und forderten Klimagerechtigkeit. Sie argumentierten, dass die mineralgewinnenden und ausbeuterischen Industrien für den ungleichen Zugang zu den grundlegenden Menschenrechten und den Mangel an ökologischer Nachhal-tigkeit verantwortlich sind. Auch das UN-Umweltprogramm bekräftigt, dass wirtschaftliche Vorteile ihren Preis haben. Es wirft Fragen zu den Rechten der Menschen und der Natur sowie zu sozialen, wirtschaftlichen, ökologischen, ethischen und politischen Belangen auf. Wir alle müssen unsere praktischen und wirtschaftlichen Aktivitäten unter dem Gesichtspunkt der sozialen Gerechtigkeit im Um-weltbereich nachhaltiger gestalten, indem wir uns mit den Ursachen des Klimawandels befassen.

Aufruf zum Gebet

Gott der ganzen Erde, während das Klimachaos Leben und alle anderen Geschöpfe zerstört, erheben wir unsere Stimme und rufen nach Gerechtigkeit für diejenigen, die am meisten leiden, aber am wenigsten für die Ursachen der Klimakrise verantwortlich sind. Beten wir um weises und mutiges Handeln für die gesamte Schöpfung in dieser kritischen Stunde. Dreifaltiger Gott, wir bitten dich um Fürsorge, Frieden und Liebe in und für unser gemeinsames Haus.

Erfahrung

Regenfälle, die über dem Normalwert liegen, sind in vielen Teilen der Welt ein häufiges Phänomen. Im November 2022 wurde die kleine Stadt Santo Antonio da Imperatriz, SC, Brasilien, in der ich als Pfarrer tätig bin, von schweren Regenfällen heimgesucht. Es hatte bereits fünf Tage lang geregnet, aber wir wurden gewarnt, dass der Regen noch heftiger ausfallen würde. Die Flüsse überfluteten die Straßen und es wiederholte sich, was 1997 geschehen war.  Es gab Verluste an Menschenleben und Hab und Gut. Wir mussten warten, bis das Wasser zurückgegangen war, bevor wir aufräumen und wiederaufbauen konnten. Es waren Tage großen Leids. Der Glaube und die Solidarität waren von entscheidender Bedeutung, denn sie gaben den am stärksten betroffenen Menschen angesichts des Schmerzes, des Verlustes und der Ungewissheit Halt.

Nach zwei Tagen kam der elektrische Strom zurück. Die Menschen arbeiteten zusammen, um diejenigen zu unterstützen, die Spenden, eine Unterkunft und Mahlzeiten benötigten. Wir, die Schulschwestern v.U.L.Fr., die seit mehr als 40 Jahren in der Stadt präsent sind, stellten Räume für die Unterbringung zur Verfügung und boten Dienstleistungen an. Es waren intensive Wochen engagierter Arbeit, in denen wir mehrere Familien bis Weihnachten beherbergten. Wir konnten uns jetzt besser mit anderen in vielen anderen Teilen der Welt solidarisieren, die unter den Auswirkungen des Klimawandels leiden. Die Worte von Papst Franziskus aus dem Jahr 2015 wurden uns klar: „Gott vergibt immer, wir Menschen vergeben manchmal, aber die Natur vergibt nie. Wenn du ihr eine Ohrfeige gibst, wird sie dir eine verpassen. Ich glaube, dass wir die Natur zu sehr ausgebeutet haben.“ Wir haben viele Lehren aus dieser Erfahrung gezogen und erkannt, wie wir manchmal egoistisch Ressourcen für etwas verschwendet haben, das nicht wirklich gebraucht wurde.

Experten sagen uns, dass naturnahe Lösungen billiger sind als technische Lösungen und positive Veränderungen für die körperliche und geistige Gesundheit der Menschen mit sich bringen. Dies zeigt sich in Indien, Indonesien, Bangladesch und Sri Lanka, wo in Mangrovenwälder zum Schutz vor Überschwemmungen investiert wird. Das ist billiger als ein künstlicher Schutz vor dem Meeresspiegel. Außerdem müssen wir uns für die lokale und kleinbäuerliche Landwirtschaft einsetzen und sie unterstützen. Wir brauchen keine Lebensmittel quer durch die Welt zu transportieren, wenn wir ihre Erzeugung und ihren Verbrauch vor Ort unterstützen können.

Reflexion

Die Initiative für Klimagerechtigkeit ist in den 1990er Jahren entstanden. Aber erst auf der UN-Klimakonferenz 26 im Jahr 2021 erlangte sie größere Aufmerksamkeit. Die Covid-19-Pandemie machte die tiefen Ungleichheiten in unserer Welt deutlich. Die Auswirkungen der globalen Erwärmung, die hauptsächlich durch menschliches Handeln verursacht wird, waren noch nie so offensichtlich. Die Berichte des Internationalen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC) aus dem Jahr 2022 warnen uns, dass sich ex-treme Wetterphänomene, die immer intensiver und häufiger auftreten, rasch verschlimmern. Die Schäden an einigen Ökosystemen sind bereits nicht mehr rückgängig zu machen. Wir sind nicht auf die Folgen vorbereitet, die heute eintreten und die neben einem enormen Verlust an biologischer Vielfalt auch Menschenleben kosten. Auch wenn die Klimakrise eine globale Realität ist, sind die Folgen für die Bevölkerung ungleich verteilt. Drei Milliarden Menschen auf der Welt leben an Orten, die durch die Klimakrise gefährdet sind (IPCC), 10 Länder sind zusammen für fast 70 % der weltweiten Treibhausgasemissionen (Carbon Brief) verantwortlich, 2 Millionen Menschen starben in den letzten 50 Jahren durch extreme Ereignisse und Naturkatastrophen, die durch den Klimawandel beeinflusst wurden (World Meteorological Organization: (Weltorganisation für Meteorologie).

Die Päpstliche Akademie der Wissenschaften veranstaltete im Juni 2022 einen Workshop zum Thema „Die Gesundheit des Ozeans und der Meere und ihre Rolle für die Gegenwart und Zukunft der Menschheit“. Die Teilnehmer erklärten, dass am Ende dieses Jahrhunderts 10 Milliarden Menschen auf der Erde leben könnten. Sie werden Ressourcen verbrauchen, Treibhausgase ausstoßen, die Ozeane verschmutzen und die Auswirkungen des Klimawandels noch verstärken, wenn jetzt keine Maßnahmen ergriffen werden. Papst Franziskus lädt uns zum Nachdenken ein: „Das Klima ist ein gemeinsames Gut, ein Gut von allen und für alle. Die Menschheit ist aufgerufen, sich der Notwendigkeit bewusst zu werden, die Lebensweise, die Produktion und den Konsum zu ändern, um diese Erwärmung zu bekämpfen, oder zumindest die menschlichen Ursachen, die sie hervorrufen oder verstärken.“ (LS 23).

Gott ruft uns auf, den Schrei der Erde und den Schrei der Armen zu hören, uns zu verpflichten, unseren Lebensstil, unsere Produktionsmethoden und unser Konsumverhalten zu ändern und uns für die Armen einzusetzen. Um das „Prophetische Zeugnis der allumfassenden Gemeinschaft“ zu leben, müssen wir innovative Antworten wagen, die uns dazu drängen, ungerechte Strukturen um des Lebens und der Würde der Schwächsten willen in Frage zu stellen. Was sind die Ursachen und Auswirkungen der Klima-Ungerechtigkeit in meinem Land? Welche Beziehung können wir zwischen Menschenrechten und Klimagerechtigkeit herstellen? Wie engagieren wir uns in Fragen der Klimagerechtigkeit auf unserem Planeten? Wie sind wir mit unserer kongregationsweiten Verpflichtung für die Aktionsplattform Laudato Si vorangekommen?

Aktion

Wir müssen die Menschenrechte garantieren und schützen und zusammenarbeiten, um die Gegenwart und die Zukunft der nächsten Generationen zu sichern.

  • Prüfen Sie, ob Ihre Stadt die Malmöer Verpflichtung unterzeichnet hat. Wenn nicht, schlagen Sie sie vor.
  • Setzen Sie sich für einen Schuldenerlass, eine Verringerung der Treibhausgasemissionen und mehr Mittel für die Anpassung an den Klimawandel ein.
  • Organisieren Sie eine öffentliche Vorführung des Films „Der Brief“, in dem Papst Franziskus mit fünf Menschen spricht, die von der Klimakrise betroffen sind, um das Bewusstsein zu schärfen und zum Handeln anzuregen.
  • Widerstehen Sie fossilen Brennstoffen und treten Sie ein für saubere Energie, Zugang zu sauberem Wasser, Boden und Luft für alle.

 

Schlussgebet

Geber und Erhalter des Lebens, schenke den Entscheidungsträgern Mut und ein Gefühl für die Dringlichkeit, eine nachhaltige Zukunft zu sichern, in der der Mensch den Vorrang vor dem Profit, die Natur den Vorrang vor immerwährendem Wachstum hat und Gerechtigkeit für die von der Klimakrise am meisten Betroffenen gewährleistet ist. Hilf uns, alles zu tun, was wir können, um an der Wiederherstellung der Schöpfung mitzuwirken. Amen.

Vorbereitet von Schwester Helena Coelho, ALC, für das Internationale Shalom Netzwerk

Grafik von der Richtungweisenden Erklärung, 24. Generalkapitel. Design: Kongregationsweites Kommunikationsbüro