Internationale Solidarität Reflexion

Flüchtlinge und Migranten

Januar 2020

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Einführung

Gerade haben wir Weihnachten – Geburt des Herrn – gefeiert. Die Worte des Evangeliums „… , weil in der Herberge kein Platz für sie war“ (Lk 2,7), schrecken mich auf. Für viele Menschen sind diese Worte auch heute Realität: Weil … kein Platz für sie war. Mehr Menschen als jemals zuvor müssen heute diese grausame Realität erfahren: … weil kein Platz für sie war. In ihrem Heimatland haben sie keinen Platz mehr, an dem sie ruhig leben können. In dem Land ihrer Hoffnung finden sie oft keinen Platz. Das ist die eine Seite, aber – und dafür bin ich dankbar – gibt es auch die andere Seite. Menschen, die versuchen, diesen Heimatlosen auf vielfältige Art ein menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen, nicht indem sie sie einfach nur materiell unterstützen, sondern Leben mit ihnen teilen durch Zuwendung, durch geduldiges Zuhören, durch Unterstützung bei Behördengängen und, und, … Ja, sie einfach nicht allein lassen in ihrem Alltag, mit den Problemen, die die andere neue Kultur ihnen aufbürdet.

Aufruf zum Gebet

Als Jesus Christus geboren wurde, hat er kein Zuhause gehabt; man hat ihn abgewiesen mit seinen Eltern und er kam in einem alten Stall zur Welt– missachtet und am Rande der Gesellschaft. Und dennoch hat er Heimat und Nähe mit den Menschen geteilt.

Erfahrung

So vielfältig die Hintergründe für die Flucht sind, so unterschiedlich leben sich diese Menschen in Deutschland ein. Felizitas Freifrau von Boeselager, die sich seit Jahren sowohl für junge, allein ankommende Flüchtlinge als auch für Flüchtlingsfamilien  einsetzt, berichtet über ihre sehr unterschiedlichen Erfahrungen:

Faqui aus Syrien heiratete eine Marokkanerin, die aber seit der Heirat auch einen syrischen Pass besitzt. Bei Kriegsausbruch flog seine Frau mit ihren Kindern über Marokko nach Paris und von dort nach Frankfurt. Schließlich kamen sie nach Ostwestfalen, wo die Stadtverwaltung eine kleine Unterkunft für sie bereitstellte. Die großen Kinder konnten bald in die Grundschule (Kl. 2 und 4) aufgenommen werden, während das Mädchen in den Kindergarten ging. Die Mutter hat von Anfang an einen Deutschkurs absolviert und konsequent einen guten Abschluss erreicht. Da sie selber mit Französisch aufgewachsen ist, fiel das Vokabellernen nicht schwer. Der Mann ist 2016 teilweise zu Fuß über die Balkanroute gekommen. Schlepper nahmen ihn im LKW bis zur Grenze mit. Er schlug sich dann irgendwie bis München durch und es gelang ihm, über einen Hinterausgang den Bahnhof in München zu verlassen, sodass er nicht von der Polizei aufgegriffen werden konnte, die die neuen Flüchtlinge in eine zentrale Unterkunft geleiten sollte. Mit Hilfe einer Mitfahrgelegenheit erreichte der Ehemann noch in der Nacht seine Familie in Ostwestfalen. Der Neuanfang der Familie in Deutschland führte leider zur Trennung der Ehe. Der Mann nahm seiner Frau den Pass weg, damit sie Brakel nicht verlassen konnte. Dass Frauen geschlagen werden in arabischen Familien, ist bekannt und zeigte sich auch hier. Die Frau musste mit ihren Kindern vorübergehend in einem Frauenhaus untergebracht werden. Das alleinige Sorgerecht wurde der Mutter per Gerichtsbeschluss zugesprochen. Diese nutzt die Freiheit der Eigenverantwortung für sich und die Kinder. Sie weiß, dass sie ein selbstbestimmtes Leben führen kann und will.

Problematisch ist die Situation der Frauen aus Eritrea; in ihrem Heimatland konnten sie in der Regel keine Schule besuchen. Ihre Benachteiligung zeigt sich darin, dass sie an keinem Integrationskurs teilnehmen können, so lange ihre Kinder weder einen Platz im Kindergarten haben noch in die Schule gehen können. Manche haben außerdem in Deutschland noch weitere Kinder bekommen. Eine Verständigung mit den Behörden ist äußerst schwierig. Da war intensive und oft an die Grenzen gehende Hilfe unsererseits gefordert: eine Deutsche beschäftigt die Kleinkinder für 1- 1 ½ Std.; unterdessen erteilt eine zweite Person Deutschunterricht in einem Nebenraum.

Edris, einen afghanischen Flüchtling, lernte ich im Deutschkurs kennen; er wollte neben dem Schulbuch gerne noch weitere Erklärungen und Hilfe haben. Er setzte das Gelernte sofort in die Tat um, indem er in ein Geschäft ging und genau die Fragen zum Kauf einer Jacke bzw. Schuhe stellen konnte, die wir geübt hatten. Schnell gab es eine gute Kommunikation. Edris hatte bereits einen guten englischen Wortschatz, so dass die deutschen Grammatikstrukturen nicht mehr fremd waren. Er fand einen Arbeitsplatz in einer Holzfirma, die ihm sogleich eine Lehrstelle anbot. Inzwischen hat er diese mit Bravour abgeschlossen und ist für andere im Betrieb ein kompetenter Vorarbeiter.

Reflexion

Bereits 1997 schrieben die Kirchen in ihrem gemeinsamen Wort zu Migration und Flucht (130): „Aufbruch, Auswanderung, Migration, Flucht und Fremde sind nicht vorübergehende Phänomene unserer Zeit, sondern sind und bleiben Grundgegebenheiten des Lebens in dieser Welt. Sie dürfen nicht einseitig negativ gesehen werden. Migration bedeutet auch Begegnung mit anderen Menschen, mit anderen Sprachen und Kulturen.“

Reflektieren Sie persönlich, mit Schwestern in der Gemeinschaft, mit Menschen, die uns in unserem Alltag begegnen die folgenden Thesen:

  • Migration bedeutet die Chance, unsere Gesellschaft bunter und toleranter zu machen.
  • Migration kann helfen, dass Fremdes nicht mehr fremd ist, sondern von mir wertgeschätzt wird.
  • Migration kann helfen – gemeinsam mit den Menschen anderer Hautfarbe, auch mit denen, die exotische Sitten mitbringen, eine fremde Sprache sprechen und einer anderen Religion angehören – eine gerechte Welt zu schaffen.

Und unsere Richtungsweisende Erklärung lädt uns ein:  Wir vertiefen unser Verständnis von Interkulturalität und verpflichten uns, unsere Fähigkeiten zu einem interkulturellen Leben in der Gemeinschaft und in der Gesellschaft zu entwickeln (ISG, GD 36).

Aktion

Gott liebt jeden Menschen und will, dass es ihm gut geht, das zeigen uns die Begegnungserzählungen sowohl im Alten als auch im Neuen Testament, z.B.: im Buch Rut, die Josefsgeschichte, u.v.m. Die Bibel lehrt uns den Umgang mit dem Fremden.

  • Nehmen Sie Kontakt auf zu Migranten, um deren Kultur, Sprache und Religion kennenzulernen.
  • Unterstützen Sie Flüchtlinge, indem Sie ihnen helfen, den ganz normalen Alltag zu bestehen, oder indem sie bei der Kinderbetreuung unterstützen, damit die Mütter die deutsche Sprache erlernen können.

Schlussgebet

Herr, Gott des Friedens und der Liebe, wir sagen Dir Dank für alle Sehnsucht, alles Bemühen, alles Tun, das Dein Geist des Friedens und der Liebe in unserer Zeit entflammt. Öffne noch mehr unseren Geist und unsere Herz für alle unsere Brüder und Schwestern, die jetzt die Liebe brauchen, auf dass wir immer mehr zu Frauen des Friedens, der Hoffnung und der Liebe im Herzen unserer Welt werden. Amen.

Nach einem Gebet von Papst Paul VI.

 

Vorbereitet von Schw. Maria-Theresia Knippschild, BY, für das Internationale Shalom-Büro, Rom, Italien

Grafik: Richtungweisende Erklärung, 24. Generalkapitel. Design: Kongregationsweites Kommunikationsbüro